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Sprachunterricht wie in einer Familie

BUNDE, 08.03.2017

Seit 2016 unterrichtet Raimar Wigger Flüchtlingskinder an der Grundschule Bunde. Die Sieben- bis Elfjährigen kommen aus Syrien oder dem Irak. Andiesem Tag haben sie Baklava, Kuchen und Kekse dabei. Denn die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann sitzt beim psychologisch orientierten Sprachunterricht mit am Tisch.

Die zehn Mädchen und Jungen stellen sich vor. „Ich bin Khalil. Ich bin acht Jahre alt und ich komme aus Syrien. Und ich habe eine neue Uhr.“ Die Uhr wird gleich zum Unterrichtsstoff. Wer weiß, wie „Uhr“ geschrieben wird? Welche Farbe hat die Uhr? Wie buchstabiert man „Blau“? Die Fragen ergeben sich wie von selbst. Mohammad hat im Fußball gewonnen, Faten ein neues Wort gelernt. Darüber unterhalten sich Kinder und Lehrer nicht nur. Sie lernen auch daraus.

Dies gilt auch für die Vorstellung durch den Gast: „Ich bin Gitta Connemann. Ich bin 52 Jahre alt. Und ich arbeite in Berlin.“ Für die Kinder ist das spannend. Von Berlin haben sie schon gehört. Mohammads Onkel wohnt dort. Und Angela Merkel, den „obersten Chef Deutschlands“, kennen die Jungen und Mädchen auch. Die siebenjährige Nima weiß, wie man ‚Berlin‘ schreibt.

Der Sprachunterricht von Raimar Wigger ist anders. Es gibt keinen Frontalunterricht. Der Lehrstoff wird nicht durchgepaukt: „Die Kinder werden ermutigt, von sich zu erzählen. Das Mittel dafür ist kein Lehrbuch sondern Vertrauen durch Bindung, damit die Kinder das Bedürfnis entwickeln, etwas von sich in der noch fremden Sprache mitzuteilen. Wir sprechen über das, was die Kinder im Hier und Jetzt bewegt. Dabei entwickeln sich Wortschatz und Grammatik.“

Der 66-jährige leitete bereits den Sprachunterricht in Ditzumerverlaat und Rhede. Der Weeneraner war humanitärer Helfer während der Bürgerkriege in Angola, Somalia und Ex-Jugoslawien. Er hat dort direkt erlebt, wie sehr Kinder unter Krieg, Flucht und Angst leiden. Seit rund einem Jahr hilft er den Migrantenkindern in Bunde. „Viele Kinder sagen am Anfang kein Wort. Sie haben ihre Heimat, ihre Freunde, ihre gewohnte Umgebung verloren. Sie haben Heimweh. Ihre Trauer, Ängste und Verlorenheit zeigen sie oft nur, indem sie verstummen oder aggressiv werden. Es geht darum, die Herzen der Kinder zu erreichen, und nicht einfach nur um das technische Erlernen einer Fremdsprache. Aber dafür braucht das Konzept dringend fünf Unterrichtsstunden in der Woche mehr.“

Das sieht auch Gitta Connemann. Sie weiß, wie wichtig Sprache für Kinder ist: „Sprache ist der Schlüssel. Integration ist nur möglich, wenn Menschen miteinander sprechen können. Je eher Kinder sich trauen, Deutsch zu sprechen, desto schneller finden sie Anschluss. Das ist gut in der Schule und für ihr Selbstvertrauen.“ Auch das Kollegium der GS Bunde würde es sehr begrüßen, wenn zukünftig noch mehr Stunden genehmigt würden.